Farne und roter Turm

Ich muss Notizen machen, sonst geht alles vergessen. Man sieht und staunt Stunde um Stunde, Eindrücke überlagern sich, Tage verschmelzen.

Vorgestern nutzen wir die Zeit bis etwa 14 Uhr (so gut wie regenfrei), um die Gegend bei Saint-Michel-en-Grève zu erkunden. Kleine Wanderung durchs Grün oberhalb des Meeres, schmaler Pfad, ein Stück so ausgesetzt, dass jemand mit Höhenangst nicht weiterlaufen würde. Riesige Farne, Gräser bis zur Hüfte, Blick über das weite Wasser. Dann Strandspaziergang, es ist Ebbe, kaum andere Spaziergänger, Gefühl von Alleinsein im breiten Sandmeer. Weiter zu einer kleinen Bucht, die uns mit ihren Felsformationen überrascht; vulkanische Formen, bläuliche Farbe der Felsen. Herumklettern, staunen, Tümpel nach Muscheln oder sonstigen Tierchen absuchen. Weiter. Reste einer römischen Therme, wunderbarer heller Sandstrand, kleine Steilküste, hohe, schattenspendende Bäume. Hier hätte ich auch gerne «thermisiert», vielleicht mit ein paar zuckersüssen Weintrauben in greifbarer Essnähe. In geringer Entfernung ein kleiner roter Turm im Fluss, der zu diesem Zeitpunkt kein Wasser führt.

Ab zwei Uhr Nieselregen, der sich festsetzt. Unsere Terrasse mit kleinem Brunnen ist nass, ein paar verwelkte Blüten lassen sich auf ihr nieder. Wir lassen uns im Zimmer nieder, für solche Wetterkapriolen leisten uns Bücher nette Gesellschaft. Ruhe. Abends erneut in der Brasserie, ohne Spinne, feines Essen.

Gestern haben wir uns wieder aufgemacht, trotz angesagten Schauern. Das Wetter bleibt bis zum Mittag gut, danach hie und da ein Schauer, zart und kurz.

Carantec und Île Callot. Es ist Ebbe, der Steg zwischen Carantec und der Insel ist begehbar. Lieblicher, romantischer Eindruck auf der Île Callot. Hier ein Ferienhaus und zwei Wochen bleiben … Wir bleiben nicht sooo lange, kehren um, gehen zurück, da wir nicht abschätzen können, wann und wie schnell die Flut kommt und den Zugang überspült. Spazieren ein Stück, dann Fahrt nach Morlaix. Toller Hafen, beeindruckender Viadukt hoch über der Stadt, wir laufen drüber. Sehr abwechslungsreiche Architektur, steinerne Stadthäuser wechseln sich ab mit alten Fachwerkhäusern. Fassaden bröckeln, die glanzvolle Zeit liegt in der Vergangenheit. Was immer noch glänzt, sind die Vitrinen mit fantastischen Küchlein, am liebsten wäre man in solchen Geschäften ein Vielfrass. Wir begnügen uns mit «bretonischem Apfelkuchen». Lecker. Der Zahnarzt würde davon abraten, meine ich.

Heimfahrt über eine «Touristische Route», am Meer entlang, traumhafte Aussichten, Buchten, kleine Häfen.

Um 18.30 Uhr gibt es Apéro bei unseren Gastgebern, geladen sind wir und ein neu angekommenes Paar. Die bengalische Katze des Hauses ist auch da. Die anderen Gäste sind so förmlich-steif, dass ich das wenige Englisch, das ich kann, fast vergesse und mich auf die Häppchen und den Cidre konzentriere. Die Gastgeber sind lustig und gelassen.

Wir beenden den Abend in unserer Lieblingsbrasserie La Plage.

Locquirec, Frankreich, 4. bis 8. Juni 2025