Zu früh im Tremondi

Vor fünf Jahren, fast taggenau, bin ich die gleiche Strecke langgewandert. An manches kann ich mich erinnern, an anderes nicht. Etappenweise erschien mir der Weg heute ein Spazierweg geworden zu sein, zwischen Seeanlegestellen, teils mit Laternen. Hübsch. Und verführerisch. Denn etliche sind in Turnschuhen unterwegs, wohl denkend, dass die gesamte Strecke eine Promenade sei. Es gibt etliche Auf- und Abstiege die zwar auch mit Turnschuhen zu meistern sind, leichtsinnig finde ich das allemal. Wieso verstauchen sich nicht mindestens 10% der Leute die Knöchel? Woher nehmen Rentner den Mut, die Strecke abzulaufen, obwohl sie ständig stolpern, und das mit Wanderstöcken? Übergewichtige schnaufen und krampfadergeplagte Gelegenheitswanderer kämpfen. Das Publikum hat sich verändert. Womöglich mittlerweile eine Must-do-Strecke in den sozialen Medien.

Die Schönheit der Landschaft und die unwirklich leuchtende türkisblaue Farbe des Sees sind nach wie vor eine Augenweide. Ach! – möchte man rufen – ach, so schön! So schön.

Von links, über den See hinweg, das ständige Rauschen der Autobahn; war das schon immer so? Nur der Wald verschluckt streckenweise dieses Geräusch. Es fehlt die Stille der Natur. Ich mache keine Pause und träume von einem Milchkaffe in Quinten, im Tremondi. Dafür bin ich allerdings zu früh, nur Hotelgäste werden bedient. So so, dann nicht. Im Weiterlaufen, auf ebener Strecke, verspeise ich mein Frischkäsesandwich, gekauft noch in Walenstadt. Kaum habe ich das leckere Brot gegessen, beginnt ein steiler Anstieg. Wo ist das Brot? Wo mein Herz? Wo meine Atmung? Mein Herz bubbert wie verrückt, ich schnaufe wie ein Walross und muss immer wieder stehen bleiben. Frustrierend! Hätte ich mir bloss die Zeit genommen, eine halbe Stunde Pause zu machen, beim Verspeisen des gesunden Brotes.

Letztendlich beruhigt sich alles, und ich staune über den intensiven Bärlauchduft, der mich umgibt. Bärlauch. Und zwei Blindschleichen und etliche flinke Eidechsen. Palmen und Feigen und Maulbeerbäume in Quinten; ein Süden mit Blick auf verschneite Bergspitzen. Die Churfirsten rechts oben erhaben, grau, mächtig.

30. April 2025, Walenstadt – Weesen, 22 km, 5 Std 15 min