Naturnah zwischen Zäunen

Morgens, noch früh, unter bewölktem Himmel; der Eindruck, den Bodensee fast für sich alleine zu haben, ist vorhanden. Wasser, Reiher, Gezwitscher in Büschen, einsame Wege, man spaziert durch und in der Natur.

Je weiter der Tag voranschreitet, die Sonne an Kraft gewinnt und das Blau des Himmels mit dem Blau des Wassers in Konkurrenz tritt, desto mehr verwandeln sich die Wege in Spazierwege für Spaziergänger.

Reiher sind nicht mehr vorhanden, die Ufer werden vom Privatbesitz beschlagnahmt, Zäune links und rechts des Weges lassen das Gefühl, in der Natur zu sein, sich verflüchtigen. Man bewegt sich fortan noch naturnah, erahnt zwar, dass kleine Wellen sich an Kieselsteinen brechen, sieht sie jedoch nicht mehr.

Um mich dennoch an der Wanderung zu erfreuen, denke ich um: Ich werde zum gemütlichen Spazierer, der die Rose hinter dem Zaun sieht, das schöne, alte Fachwerkhaus, den grossen Baum im Garten, den müde lächelnden Gartenzwerg. Ich bekomme Hunger und beginne Ausschau zu halten nach einem Restaurant mit Terrasse zum See. Da, da ist eines. Ich nähere mich, und lautes Lachen macht sich bemerkbar. Ich warte ab, das laute, wiehernde Frauengelächter erfüllt die Terrasse und den ganzen Bodensee. Nein, das schreckt mich ab. Weiterziehen. Im nächsten Dorf finde ich meinen Platz in der Sonne, Wasser in Sichtnähe und dezentes Reden unter den Gästen.

Mit gestilltem Hunger nähere ich mich Münsterlingen, und schwupp – sitze ich in der Bahn und rolle nach Hause.

20. September 2024, Arbon – Münsterlingen, 26,4 km, 5 h 15 min, 140/150 Hm