Alpe Nimi – Sternenhimmelbett

Die Wanderer sind weg. Geblieben sind die Geissen, die Alpangestellten und ich. In der Küche wird Zopfteig geknetet. Die zwei Esel ärgern die Ziegen oder einander. Den Wolf abgewehrt haben sie allerdings nicht. Dafür waren sie zwar auf die Alp geholt worden, sie blieben aber in Deckung.

Ich sitze auf einem Baumstamm und schreibe. Ich muss nichts tun. Zwei Flaschen Geissmilch an Zicklein verfüttert, das war mein Beitrag heute zum Alpleben.

1742, das erste nachweisliche Jahr dieser Alp. Welch ein Zeitgewicht! Unter dem gleichen Sternenhimmel, den ich letzte Nacht gesehen habe. Ich bin früh ins Bett, ins Bett im Freien, erhöht auf einem Baumstamm aufgebockt. Den Mond habe ich erblickt, dann konnte ich meine Augen nicht mehr offen halten – trotz angekündigter Sternschnuppen. Später bin ich wach geworden und habe tausend Sterne über mir gesehen. So zahlreich, aber so hoch oben. Ich war davon ausgegangen, dass sie ganz nahe sein werden, zum Greifen nahe. Ich liege im Schlafsack, darüber eine Zudecke. Es wird warm, ich muss den Schlafsack öffnen. Morgens ist alles feucht um mich herum, auch die Decke und mein Gesicht. Ich bin trocken geblieben.

Es bimmelt hie und da, die Esel traben vorbei, ein fernes Flugzeug am Himmel. Ansonsten Stille, eine grosse Stille. Eine Geiss leckt Salz. Mein dickes Buch bleibt unberührt. Die meisten Geissen lassen sich streicheln und kraulen, als wären sie Katzen. Ich werde die Sachen, die ich anhabe, anlassen, drei Tage, es riecht bereits alles nach Ziege.

Ich sitze und schaue in die Ferne, auf die blauen Berge, gekrönt mit weissen Wölkchen. Ich habe mir die Zähne geputzt. Vielleicht dusche ich später, bevor erneut die nächsten Wanderer eintreffen. Das gestrige Abendessen war opulent und sehr fein. Um halb sechs Apéro: Schinken, Salami, Frischkäse, Käse, eingelegte Tomaten, Cima di Rapa, Zwiebelchen, Auberginen. Um halb acht Abendessen: Salat zum Selberschöpfen, Risotto mit Gorgonzolasauce und dann Mousse au chocolat. Vom Feinsten. Was es heute wohl gibt?

Alpe Nimi, Gordevio, Tessin, 10. bis 14. August 2024