Das Fazit gleich zu Beginn: Gravelbiker, vergesst den Spreewald und fahrt in die Lieberoser Heide!
Doch von Anfang an. Nach der zweiten Übernachtung gehöre ich anscheinend zur Stammkundschaft und darf beim Frühstück auf der Galerie Platz nehmen. Aber vielleicht sind auch einfach nur einige Leute abgereist.
Es soll wieder heiss werden. Ich starte mit einer ausschweifenden Runde um Burg, grösstenteils auf asphaltierten Nebenstrassen, schön und unspektakulär. Weiter geht es Richtung Byhleguhre – der Ortsname ist eine grässliche Adaption des viel authentischer wirkenden sorbischen Běła Góra, das wohl «weisser Berg» bedeutet.
Überhaupt, das Trauerspiel Niedersorbisch. Ich muss mich von der romantischen Vorstellung lösen, dass diese Sprache im Spreewald irgendwie noch lebendig sei, so wie etwa das sehr vitale Rätoromanische in etlichen Tälern Graubündens. Auf vielen Ortsschildern ist zwar brav der sorbische Name unter dem deutschen aufgeführt, auf Strassenwegweisern ab und zu, auf Wanderwegweisern zumindest in der Gemeinde Burg (Bórkowy!) fast immer. Aber was sind das anderes als Kuriositäten? Im Alltag ist Niedersorbisch hier praktisch nicht existent. Nirgendwo hört man es, nirgendwo liest man es. Es gibt weder sorbischsprachige Firmenschilder noch Informationstafeln noch Speisekarten. Alles ist deutsch. Wo ist das spezifisch Sorbische? Gewiss, man pflegt ein paar folkloristische Traditionen. Doch mit der Aufgabe der eigenen Sprache wandelt sich diese eigentümliche slawische Kultur eigentlich zu einer regionalen Ausprägung der deutschen Kultur. Mag sein, dass das ein natürlicher Prozess ist, und in anderen ostdeutschen Regionen hat er sich ja schon vor vielen Jahrhunderten vollzogen. Ein Verlust ist es irgendwie trotzdem.
Aber zurück zur heutigen Tour. Denn bald hinter dem erwähnten Ort beginnt die Lieberoser Heide. Ein grosses Waldgebiet, hauptsächlich Kiefern, kaum Erhebungen. Nach dem Wetter der letzten Tage ist der Untergrund staubtrocken. Hohe Waldbrandwarnstufe! Unter den Reifen, aus denen ich vorhin noch ein wenig Luft abgelassen habe, knirscht leise der Sandboden und knacken die kleinen Kieferzapfen. Es gibt kaum Wurzeln oder Löcher, die umkurvt werden müssen. Das Fahrrad rollt fast wie von selber. Das, liebe Downhiller, ist ein Flow!
Auf einem abenteuermässig ausgestatteten Rastplatz mitten im Wald entdecke ich unter anderem eine kleine, hölzerne Wasserpumpe. Gespannt bewege ich den Schwengel und freue mich am hervorsprudelnden Wasser – und bin plötzlich von bösen Wespen umschwärmt. Wo kommen die denn her?! Ich nehme Reissaus, trotzdem schafft es noch eine, mich in den Handrücken zu stechen. Grosses Gejammer, aber am Ende ist es nur ein kurzes Brennen und nichts weiter zu sehen.
Nach vielen Kilometern und Spitzkehre am Ortsrand von Lieberose geht die Heide schliesslich zu Ende. Das Navi leitet mich nun in eine Art Schilfwiese. Das soll stimmen? Ist das etwa ein Sumpf? Der Untergrund scheint trocken zu sein, und in dem hüfthohen Gras ist auch ganz schwach eine Fahrspur zu erkennen. Ich erwarte jeden Moment, über das Dach eines versunkenen Autos zu rumpeln. Aber alles geht gut, bald erreicht man wieder einen Feldweg.



Auf Strassen und asphaltierten Wegen geht es zurück, wobei man kurz vorm Ziel tatsächlich nochmal über ein paar schmale Feldwege kurven darf. Ein toller Ausflug, leider mit einem unangenehmen Andenken: Gegen Abend wird die Hand doch etwas rundlich. Auf Anraten von S. laufe ich ins Dorf zur Apotheke, um eine Salbe zu kaufen.
Burg/Spreewald, Brandenburg, 30. Juli bis 3. August 2024