Tag 31. Strahlender Morgen, die Sonne geht auf und strahlt. Das Licht so hell, dass ein Schauen nur mit Sonnenbrille möglich ist. Unterkunft bezahlt. Noch ein Spaziergang im Hellen, ins Blau des Himmels und des Wassers. Lareu. Muss nicht mehr bestellen, nur noch nicken auf die Frage «The same?» Ich habe die Wanderschuhe hiergelassen, sie waren schon immer ein wenig zu klein. Und jetzt tragen sie eine dicke Staubschicht. Staub von hier. Soll er hier bleiben. Ich freue mich auf den Bus nach Lissabon, eine kleine Etappe Richtung Chur.
Die Morgenstunden sind die schönsten des Tages, wie immer am Meer, eigentlich überall. Der unberührte Tag, die leeren Strände, nur ein paar Möwen auf den Sandbänken, die Schwalben. Dann öffnen die Cafés, die Menschen kommen. Lärmend und unruhig die Kinder, schwätzend die Erwachsenen. Die Unschuld des Tages verliert sich.
Die Strandbesucher sind schwer bewaffnet, mit Sonnenschirmen, Windschutzvorrichtungen, Kühlboxen und manchmal Klappstühlen. Sie bauen auf, und wenn nötig, je nach Windrichtung, bauen sie sich zu. Der Meerblick verschwindet dann für sie. Manche riechen so extrem nach Sonnenmilch, dass jeglicher Meeresgeruch nicht mehr wahrnehmbar ist. Ich wechsle den Platz.
Andere rücken als Grossfamilie an und lassen sich keine zwei Meter von mir entfernt nieder, obwohl der Strand jede Menge Platz bietet. Ich ziehe weiter.
Wo bitte ist hier die nächste Bucht, wo nur ein beschwerlicher Pfad hinführt?
Im wunderbar gelegenen «Yabalulu» ist die Terrasse belegt, ich setze mich rein, als einziger Gast. Der Inhaber teilt den Angestellten das Trinkgeld von letzter Woche aus. Bald darauf kommen die Küchenangestellten in den Raum, vier Inder, und nehmen ihr Essen ein. Tief gebückt über ihre Teller schaufeln sie das Essen mit der Gabel in den Mund. Die Hintergrundmusik ist sehr gut.
In der einfachen Kneipe, wo man einen Kaffee am Tresen für 90 Cent trinken kann, riechen die Männer schon morgens nach Alkohol und Zigaretten. Alle drei Fernseher laufen. Der grösste bringt Nachrichten. Der zweite zeigt einen alten Western mit Untertiteln. Der dritte Apparat strahlt etwas aus was ich nicht verstehe. Service am Tisch gibt es nur, falls man etwas zu essen bestellt.
Drüben im «Mabi», also gegenüber, modernere Einrichtung, stellt man sich an, bestellt und bezahlt am Automaten. Der Nächste bitte! Der Kaffee schmeckt besser, aber keiner trinkt ihn am Tresen. Alle setzen sich hin. Der Nächste bitte! Ein Abfütterungsort mit leckeren Sachen.
Lissabon, Hotel Tivoli. Bin da! Sky Bar im 16. Stockwerk mit Traumblick über den Tejo. Wenn ich mich nicht irre, werde ich mit «My Sweet» angesprochen und plaziert. Für den nächsten Kellner bin ich «Lady», der Dritte endlich sagt «Ma’am». Der Gin Tonic sehr gut.
Mittlerweile war ich im Aquarium; die 25 Euro hätte ich für noch einen Gin ausgeben sollen. Die Mehrzahl der Besucher bestaunt nicht die Fische, sondern sich im Selfie mit Haifisch im Hintergrund. Ein Rummelplatz. Das dicke Glas der Becken dämpft wohl den Lärm; die Fische, klein und gross, schwimmen sehr gelassen hin und her. Es wäre spannend, sich in ihre Lage versetzen zu können, mit ihren Augen sehen zu können. Was würde man sehen?
Die Mantas fliegen durch das Wasser. Der Kalmar schwimmt ausgesprochen graziös vorwärts und rückwärts. Wie satt sind die Haie, dass sie nicht gierig andere Fische verspeisen?
Morgen nachmittag um drei Uhr geht mein Flug.
Lissabon, Portugal, 22. bis 23. Juni 2024