Tag 19. Was ich gestern noch gemacht habe? 25 km gelaufen. Zuerst oberhalb der Steilküste, Dünengebiet, traumhaft. Dann … ja, dann … Die einsame Weite mehr oder weniger genutzter landwirtschaftlicher Fläche. Es ist eine merkwürdige Weite. Ich verliere mich darin, ich löse mich auf, ich verschwinde. Ein leicht beklemmendes Gefühl macht sich breit. Ich werde erst wieder ganz ich auf dem Rückweg, in den Dünen. Die Landschaft im Inneren kann ich nicht deuten. Obwohl man manches Haus sieht, schlicht und geduckt, ein Auto davor, ein geöffnetes Fenster, fühlt es sich an als wären trotzdem kein Menschen dort. Und trifft man dann doch auf Menschen, scheinen sie weit weg, man geht an ihnen vorbei, als gäbe es zwei Welten ohne Berührungspunkt.
Odeceixe könnte richtig hübsch sein, es gibt allerdings zu viel Verfall, wenig wiederhergestellte Substanz, obwohl es genügend typische Bauten gäbe. Die Mühle oberhalb des Ortes ist wundervoll restauriert. Die Kirche steht, die Mauern, welche sie umgeben, sind am Einstürzen. Der Friedhof: ein Anblick tiefster Verlassenheit. Kahle Erde, verblasste, schiefe Grabsteine, welkes Gras, Abfall. Der Blick von der Mühle über das weisse Dorf lässt einen gnädig vergessen, dass so vieles so ärmlich ist.
Heute ist Dolce vita angesagt. Ein Pasteis de nata essen, aus dem Café auf den Platz schauen und abwarten, ob der bewölkte Himmel aufklart, um an den Strand laufen zu können.
Den Fluss Seixe finde ich faszinierend. Ebbe und Flut des Ozeans verändern täglich sein Aussehen, seine Tiefe, insbesondere im Mündungsgebiet natürlich. Einmal möchte ich darin baden. In einem Fluss baden, der nach Meer riecht.
Im Casa Verde plaudere ich mit Agata und Alexander, den Pächtern, und bekomme freundliche Hinweise auf Restaurants und sogar eine Kopfwehtablette – die Apotheke ist geschlossen, es ist Feiertag.
Der Himmel bleibt grau, ich laufe trotzdem los Richtung Strand. Ozean gibt es auch unter Wolken. Das Loslaufen hilft, die Sonne kommt durch! Perfekter Strandtag. Im Fluss, der nach Meer riecht, habe ich gebadet. Freude pur.




Odeceixe, Portugal, 8. bis 14. Juni 2024