Lagos. Nicht in Nigeria.

Tag 2. Der Frühstücksraum unterkühlt, Amerikaner schwätzen über Tische hinweg. «Oh my God!», ein Lieblingsspruch, hört man öfter. Ich esse schnell und gehe raus zum Tejo, er glänzt in der Morgensonne. Die Gondeln stehen still, ein Fisch springt aus dem Wasser, ich habe noch Zeit bis zur Busabfahrt nach Lagos.

Bei meiner Rückkehr bilden die Amerikaner einen Haufen vor dem Hotel Olissippo, der Reisebus wartet. «Trafalgar/Spain» steht auf dem Schild, wohl Europa in zehn Tagen, und vermutlich hat keiner daran gedacht, dass Olisipo der antike Namen Lissabons war.

Ich rolle mit dem Rollkoffer zum Busbahnhof Oriente, zehn Minuten Weg zu einer Haltestelle, deren Grösse mich überfordert. Aber Flixbusse sind grün und dadurch sichtbar. Ich finde die Abfahrtsstelle und warte. Ich warte eine Stunde und traue meinen Augen nicht ganz: Eine Stunde reicht, um einen groben Eindruck über alle Nationen dieser Welt zu erhalten. Würde man alle Wartenden und Vorbeikommenden fotografieren – ein Kaleidoskop käme zusammen, das jedes Museums für Ethnologie würdig wäre.

Der Bus ist pünktlich, neu und sauber. Eine angenehme Fahrt, wir sind nur zwölf Passagiere. Flott geht es raus aus Lissabon, aus den unansehnlichen Randgebieten, über die wundervolle Brücke, Richtung Süden. Im Brackwasser des Tejo Flamingos. Rein in die weite Landschaft des Alentejo mit unzähligen Korkeichen und Olivenbäumen und Störchen. Ich nicke kurz ein. Die Landschaft verändert sich ab der Region Algarve. Sie wird hügeliger, steiniger, aber monotoner. Riesige Reklameschilder beginnen die Autobahn zu säumen, Lagos ist nahe, Endstation.

Dank Handy navigiere ich zur Villa Zawaia, B&B; ich holpere und poltere mit dem Koffer durch enge Gassen, bergauf und bergab, über Stufen, sorge mich um die Kofferräder, denen das unebene Kopfsteinpflaster zu schaffen macht. Und bin da. Es wird darauf hingewiesen, dass es eine kleine Villa ist, mit nur acht Zimmern, einem kleinen Innengarten mit Pool, sehr stilvoll alles. Mein Zimmer hat sogar einen Stehbalkon mit Sicht über die Altstadt und Kirche auf einem Hügel. Ich träume von Mussestunden am Pool mit einem Buch und einem Glas Wein. Der Traum platzt bald, Amerikaner sind auch da und träumen andere Träume. Sie trinken Aperol Spritz, lachen und erzählen sehr laut, sind durchgehend dick und besitzen kein Gespür für die kleine Villa Zawaia.

Gegenüber gibt es eine wundervolle Alternative: Eattico, Pesce di Strada. Feine Tapas und Sandwiches, Musik, Diskussionen auf Portugiesisch und Schnippelgeräusche aus der Küche. Ja, hier kann ich sein.

Eine grosse, wohlgenährte Möwe spaziert vorbei; mit ihren Entenfüssen rutscht sie bei jedem Schritt leicht auf dem abschüssigen Weg, der mit weissen und schwarzen Pflastersteinen sehr hübsch gestaltet, aber glatt ist. Die Möwe schaut interessiert.

Einen Club artistico habe ich entdeckt, gegründet 1872, hundert Jahre später komme ich auf die Welt. Morgen 19.30 Uhr gibt es hier argentinische Milonga, zehn Euro Eintritt, es soll auch Getränke und etwas zu essen geben. Ein untersetzter Portugiese, der mal im Thurgau gearbeitet hat und deutsch spricht, zeigt mir stolz die Räumlichkeiten, den Hauptsaal mit Parkettboden und Stühlen ringsum. Er ist im März, ich im Mai 1972 geboren, wir lachen über das gemeinsame Geburtsjahr.

In einem der ältesten Geschäfte in Lagos (habe ich natürlich nachträglich erfahren) kaufe ich mir einen bunten Bikini und zwei Polo-Shirts. Und halte ein Schwätzchen mit der Inhaberin. Ein Familienunternehmen. Sehr altmodisch der Laden, allerdings Top-Beratung. Umgeben von zahllosen Läden, die auch nette Sachen anbieten, hauptsächlich Beachwear.

Lagos, Portugal, 24. bis 27. Mai 2024