Tag 3. Womit beginnen? Die Servietten im Spender auf dem Tisch im Eiscafé Taquelim Gonçalve, sind genauso dünn wie auf den Kanaren. Man braucht viele und lässt sie zerknüllt zurück. Das Eiscafé wurde 1935 gegründet und serviert Spezialitäten nach Art des Dom Rodrigo, steht da. Das Café war die letzte Station der Tour «Eat and Drink», es gab Portwein und Orangen- und Mandelkuchen. Ein kaum noch zu schaffender süsser Abschluss.
Begonnen hatte die Tour in der Markthalle und führte über verschiedene Stationen – und verschiedenen Spezialitäten – hierher. In der Markthalle war ich bereits früh morgens, als die Fische frisch ausgeladen auf Eis gelegt wurden und die Krebse noch ihre Scheren bewegten. Ein Traumbild. Ein traumhaftes Bild. Davor war ich in einem kleinen dunklen Café, in welchem Fotografieren verboten ist. Verstehe ich; das Aussehen des Cafés besitzt Seltenheitswert, in der heutigen – touristischen – Welt. Vier Tische, billigstes Furnier, an vielen Ecken abgeplatzt. Zwölf Stühle für Männer (hauptsächlich), die zu ihrem kleinen, schwarzen Kaffee einen Schnaps trinken, morgens um halb acht. Der Kaffee kostet 70 Cent, und man muss im Voraus bezahlen. Ein Fernseher, museumsreif, läuft laut, oben in einer Ecke, die Dame hinter der Kaffeemaschine verfolgt die Telenovelas mit Interesse.
Hier im Eiscafé sitzen die Touristen draussen, die Einheimischen drinnen. Es ist 17.29 Uhr und die Portugiesen essen Küchlein oder Eis, trinken Wasser oder Saft oder Kaffee. Das Abendessen kommt wohl spät. Ich warte dass es 18 Uhr wird, dann laufe ich zur Cervejaria Ferradura, es war eine der Stationen heute. Sie hat laut Tripadvisor keine besonders guten Bewertungen, und dennoch waren die Muscheln (längliche) und das Bifana äusserst fein. Ich muss zurück, um die besonderen Muscheln zu essen, die an Felsen kleben und unter gefährlichem Einsatz vom Stein geholt werden. Wie sie heissen? Vergessen. Ich habe ein Foto.
Die Gruppe heute umfasste zehn Leute, Amerikaner, Kanadier und Deutsche. Die Erklärungen und Witze von João, dem Tourenleiter, waren auf Amis und sich witzig findende Deutsche zugeschnitten. Man konnte João aber auch seriöse Fragen stellen, er wusste Bescheid.
Die Cervejaria besteht aus einem Raum. Darin eine Theke, oval, daran Sitzmöglichkeiten auf Hochstühlen, einer neben dem anderen. Alle Gäste sitzen an der Theke, und jeder sieht jeden. Man kann sich anschauen oder auch nicht. Es gibt eine kleine Ecke am Schaufenster mit einer Herdplatte, auf der gekocht wird. Nicht mehr als für drei, vier Leute. Die nächsten drei müssen warten. Die Servierdame ist nicht mehr ganz jung, schlank und trägt rote, fedrige Hängeohrringe und eine blumige Schürze. Manchmal lächelt sie.
Die Deutschen fanden, Lagos sei gar nicht so voll mit Touristen wie erwartet. Ich sagte, müsste ich noch länger als einen Tag bleiben, würde ich wegziehen. Lagos ist sehr hübsch und lebt von Strandtouristen. Ist man anständig bekleidet, wird man automatisch mit «bom dia» angesprochen – ich fühle mich geschmeichelt. Für die Wanderung morgen muss ich Wasser kaufen, Leitungswasser ist nicht geniessbar.
Heute war es möglich, in paradiesischer Ruhe ein Bad im wunderhübschen Pool im Innenhof der Unterkunft zu nehmen. Weisse Möwe im Flug vor blauem Himmel, Palmwedel im Wind, glitzernd das Wasser und ich. Trotzdem unbegreiflich, wie man hier in Lagos zwei Wochen Ferien verbringen könnte. Strand, Essen, Trinken. Mit hundert anderen. Nein, mit tausend anderen.
Es gibt auch Seitenstrassen, ruhig, gepflastert mit glänzenden weissen Steinen, die kurzfristig die Illusion vermitteln, alleine eine typische Algarvesiedlung zu entdecken.
Lagos, Portugal, 24. bis 27. Mai 2024