Den Burgenweg im Domleschg entlang bin ich gelaufen, wenig Steigung, 14 km, machbar auch bei angekündigter dunkler Bewölkung. Dass der Himmel dann oft blaue Lücken bot, durch welche die Sonne wie inszeniert einzelne Landschaftsflächen in schönstes Licht rückte, hat das Herz natürlich umso mehr erfreut. Die Augen hatten auch ihre Freude: die sich immer wieder öffnende Weite, im Vordergrund Wiesen von sattestem Grün mit schwarzen Kühen darauf und im Hintergrund eine weiss bepuderte Bergkette mit markantem Gipfel, letzterer mal umhüllt von weissen Wolken, mal frei sich zeigend in seiner gewaltigen Präsenz. Die Ohren, ja, für die Ohren gab es Kohlmeisengezwitscher, krächzende Raben und Eichelhähergezänk.
Was ich aber sagen möchte: Die Füsse gingen, Schritt für Schritt und immer weiter, langsam und mal schnell, weiter, wie losgelöst vom Denken, losgelöst von der Überlegung, gehen zu wollen. Sie gingen, und ich ging mit, den Kopf frei für fliegende Gedanken. So könnte man bis Rom gehen, mühelos, die Lungen gefüllt mit kühler, frischer Luft.
Es gibt diese Zeiten, in denen man frei ist, los von allzu gewichtigen Gedanken. Staunend über Schönheit, fähig, den Moment zu geniessen, zu träumen. Die Vorstellung, bis nach Rom zu kommen, nicht sofort als Unsinn zu verwerfen, sondern als machbar anzusehen.
Aus dem Träumen holt mich unterwegs ein junger Bulle; er starrt – ich bin noch weit entfernt –, er starrt und hört nicht auf damit. Überlegt er, ob es sich lohnt, den Elektrozaun zu durchbrechen? Ist er einfach fasziniert von meiner Gangart? Ich komme immer näher … Was steht geschrieben? Wie soll man sich verhalten als Wanderer? Ah ja, dem Tier nicht in die Augen schauen, ruhig und souverän weitergehen. Aber der Jungbulle war wohl nur neugierig. Glück gehabt.
Rom ist für heute doch ein bisschen weit weg. Ein andermal. Ich gebe mich mit Thusis zufrieden. Und sehr zufrieden kehre ich heim.


