Platz der Einheit mit Pestsäule

Ich halte es kurz, es ist ein kurzer Aufenthalt in Temeswar. Das Zimmer im Savoy ist nicht bezugsbereit, wir sind zu früh. Finden bereits beim zweiten Anlauf eine Ladestation und schlendern zum grossen «Platz der Einheit». Eine Augenweide, der Platz ist umsäumt von barocken, pastellfarbenen Palais und Kirchen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. In der Mitte befindet sich sogar eine Pestsäule, ebenfalls Erbstück aus habsburgischen Zeiten. Milchkaffe und frischer Saft im Café Bruck, ein stolzes Haus im Jugendstil von 1908.

In den Seitenstrassen werden viele Häuser renoviert, in wenigen Jahren könnte das Zentrum so schön aussehen, dass es so manch andere Stadt vollkommen in den Schatten stellt. Die riesige orthodoxe Kirche und die kapitolinische Wölfin mit Remus und Romulus auf einem Sockel im kleinen Park davor können nicht verschleiern, dass diese Stadt eine Stadt der Banatschwaben war. Diese Remus-Romulus-Darstellungen findet man mittlerweile in jeder grösseren Stadt. Sie proklamieren Rom als die Mutter des rumänischen Volkes. Zu meiner Schulzeit stammten die Rumänen noch von den tapferen Dakern ab. Rom hört sich natürlich besser an.

Wir essen auf dem Zimmer; ich habe Focaccia, Pflaumenknödel, eine Zimtschnecke und Kuchen mit Frischkäse und Rosinen in einer Bäckerei geholt. Viel zu viel …

Später sitze ich im Dämmerlicht und schreibe. Mir fällt der Käfer von Kafka ein. Wäre er hier, hätte er im Hören viel Abwechslung. Im riesigen Nussbaum nebenan hat sich eine Schar Raben versammelt und krächzt laut. Auf dem Fluss vor dem Hotel liegt ein Restaurantboot, die Musik dringt in das Zimmer. Auf der dreispurigen Strasse, in der Mitte, liegt eine Eisenplatte, vermutlich bedeckt sie ein grosses Schlagloch. Fährt ein Auto darüber, macht es pam-pam. Irgendwo unterhalten sich klagend zwei Frauen. Es hallt hoch. Dann blitzt und donnert es, es grollt und es fängt an zu regnen. Die Tropfen fallen auf das metallene Fensterbrett.

15. September 2022, Hermannstadt – Temeswar