So viel Eis in der Waffel!

Wir sind in Hermannstadt angekommen. Ich sitze im Zimmer im Hotel «Exclusive and more», und es fehlt mir an Schreibinspiration. Ich möchte jedoch fleissig sein und Buchstaben auf das Papier bringen. Die Lobby ist von biertrinkenden, fröhlichen Männern besetzt. Also doch Zimmer. Der vorhandene Stuhl ist zu niedrig für den Schreibtisch, ich bräuchte lange Affenarme und ausfahrbare Augen. Der Stuhl passt eher zu dem kleinen Bistrotisch, welcher sich in der dunkelsten Ecke des Raumes befindet. Da bräuchte ich Luchsaugen. Da ich nur eine Lesebrille besitze, schiebe ich Tisch und Stuhl unter die vorhandene Deckenleuchte; leicht bucklig kann ich nun schreiben.

Es ist ein einziger Bademantel vorhanden, ohne Gürtel. Die Blösse muss man anderweitig bedecken. Es gibt immerhin zwei Paar Badepantoffeln, praktisch, um damit über den nicht mehr ganz neuen Teppichboden zu laufen. Die Toilettenspülung ist erfreulicherweise sehr stark, man muss nicht befürchten, wie im Aro, mehrmals das Wasser betätigen zu müssen, um Peinlichkeiten zu vermeiden. Bei Ankunft waren wir überglücklich zu hören, dass der Wäscheservice vorhanden ist. Die Schmutzwäsche wurde abgeholt, und uns wurde mitgeteilt, dass sie sehr wahrscheinlich bis übermorgen trocken sei. Es gebe zwar keinen Trockner im Haus, die Wettervorhersage prophezeie aber Sonne. Wir werden auf der Weiterreise also nicht stinken.

Die Altstadt von Hermannstadt ist äusserst spannend. Tolle Häuserzeilen, eine beeindruckende evangelische Kirche, Arkaden, schmale, niedrige Durchgänge von einem Platz zum anderen. Ich freue mich auf morgen, um in aller Ruhe erneut durch all die Strassen zu laufen. Der erste Eindruck ist grossartig.

Auf dem Weg von Kronstadt hierher hat es uns einige Mühe gekostet, geeignete Ladestationen für das Auto zu finden. Morgens in Kronstadt sind wir auf den Parkplatz von Kaufland gefahren. Die Station war besetzt; ich habe dezent an die Autoscheibe geklopft, um den Fahrer zu fragen, wie lange er noch etwa laden müsse. Sehr unwillig hat er einen Spalt freigegeben und «halbe Stunde» gemurmelt. Wir haben gewartet, wohin soll man auch fahren? Oft sind die Plätze einfach zugeparkt, ohne dass geladen wird, oder sie funktionieren nicht, oder sie sind belegt. Warten. Der Fahrer steigt aus und geht lässigen Schrittes ins Kaufhaus. Ich habe mich draussen postiert, um etwaige Konkurrenten rechtzeitig abzuwehren. Nach einer Weile kommt er zurück und erkundigt sich danach, wie viele Kilometer wir mit unserem Auto fahren könnten. Etwa 400 … Ha, er kommt etwa 500 km weit, holt sein Handy raus, um mir das zu zeigen. Ich lobe ihn und sein Auto. Er kann lächeln und erzählt, dass er in Griechenland war, beim Berg Athos, und drei Tage bei den Mönchen verbracht hat.

Vor Hermannstadt laden wir bei einer Tankstelle. Ein Auto wird umgeparkt und los geht es, sehr freundlich. Wir warten drin, ich bestelle einen Kaffee und C. einen Orangensaft. Mein Kaffee ist so stark, dass ich drei Rähmli reinschütten muss, um ihn trinkbar zu machen. Der nette Umparker erkundigt sich nach Reichweite, PS und Preis des Autos. Er zögert noch mit dem Kauf eine E-Wagens, zu wenige Aufladestationen, das ewige Warten, dass etwas frei wird … Kommt mir bekannt vor. Ob wir in der Schweiz auch grosse Sorgen wegen mangelndem Gas hätten, und ob der Staat vorhat, der Bevölkerung mit Geld beim Bezahlen der Energierechnungen zu helfen, fragt er. Nein, nicht dass ich wüsste.

Auf der Fahrt nach Hermannstadt habe ich die Landschaft bewundert. Hügelig grün, verstreute Dörfer, Hirten mit Schafen, Ziegen oder Kühen. Mit Hirtenstab in der Hand und dem typischen Hut auf dem Kopf. Am Strassenrand immer wieder Anbieter von Käse, Gemüse und Plastikstörchen. Rote Zwiebeln, Kartoffeln. Sogar ein Zwiebelfestival war angekündigt.

In der Altstadt wird an etlichen mobilen Ständen Eis angeboten; wer isst denn so viel Eis? Man kommt an vielen Schmuckläden vorbei, klein und hässlich, aber mit riesigen Ohrringen und Halsketten aus Gold in der Auslage, vermutlich für die Zigeunerinnen aus den kitschigen Palästen. Brautmoden, Notare und Übersetzer zuhauf. Es gibt Möwen auf den Dächern und herrenlose Katzen, die in den Terrassen-Restaurants auf einen Happen warten. Wir hatten auch ein paar Happen und haben uns satt und etwas müde auf das Zimmer zurückgezogen.

13. September 2022, Kronstadt – Hermannstadt