Die Schneejungfrau

Wir bewahren Haltung, auch wenn man das Klopapier ins Eimerchen werfen muss, was für C. eine abstossende Sache ist.

Es ging nach Teguise. Der Autor des Reiseführers verwendet den Begriff «morbide Melancholie» für den Zustand der Stadt um 1852. Sollte man um neun Uhr morgens, unter der Woche, unter bewölktem Himmel die Stadt besuchen, ist dieser Begriff nach wie vor greifbar. Schöne hohe Holztüren und Läden sind verschlossen, die Gassen ohne Menschen, nicht mal eine streunende Katze. Tot ist die Stadt jedoch nicht, da haben ja drei Cafés geöffnet! Man kann schon einen Barraquito trinken und beobachten, wie einzelne Touristen, in Shorts, aber immerhin mit einem Jäckchen, auf den Hauptplatz zusteuern. Etwas verwirrt, oder verwundert? Wie wir auch. Es schlägt 10 Uhr. Eine Taube, deren Flügel die braune Farbe der Lavasteine der Kirche angenommen haben, gurrt. Wir lachen, oh, jetzt passiert bestimmt etwas. Tatsächlich, Türen werden geöffnet, Tischchen, flatternde Tücher rausgestellt, Handwerk, welches gekauft werden soll. Ein erster Bus spuckt eine Gruppe aus, welche eine Führung erhält.

Wir laufen noch einmal durch die Strassen. Eine gewisse Schönheit offenbart sich beim zweiten Blick sehr wohl. Und es ist ruhig, Autos fahren um die Stadt herum und nicht durch sie hindurch. Kaum vorstellbar, dass sonntags, wenn Markt ist, die Stadt überquillt. Wie unausgeglichen. Also doch eine Art Freilichtmuseum.

Weiter zur Ermita de las Nieves, sie bietet einen sagenhaften Ausblick. Jedoch nicht heute. Die Schneejungfrau hat galoppierende weisse Wolken herbeigerufen. Das erzeugt eine mystische Stimmung, denn Wolken und Sonnenstrahlen wechseln sich ab, der Blick über die Abbruchkante, zur Caleta de Famara, bleibt verwehrt.

Weiter nach Haría, dem Ort im «Tal der tausend Palmen». Das stimmt, vielleicht sind es nur 850 Palmen, das Gesamtbild ist jedoch schön, ich meine bei der Anfahrt, mit Sicht ins Tal. Das Städtchen selber ist klein, tatsächlich geruhsam-kanarisch. Der tollste Fleck ist die Plaza de la Constitución, weiss, umrahmt von weissen Häusern, geschmückt von roten und lila Bougainvilleen, herrlich kitschig, ein Motiv für die Postkarte, die heute keiner mehr verschickt.

Weiter nach Arrieta, zum Mittagessen. Ach, war das schön und lecker. Man sitzt auf der Terrasse, zum Meer hin, hört die Brandung und das Durcheinander der schwätzenden Gäste. Die gastgebenden fünf Brüder sind leicht hektisch. Alle mampfen, mmh, scheint allen zu schmecken. Die erste Reihe der Häuser befindet sich direkt am schwarzen, steinernen Strand, nein, Küste. Sie haben Beine, welche dem Meer standhalten. Die zweite Reihe Häuser sitzt gemächlich dahinter. Vorne riecht es nach Algen, die Wellen branden an. Endlich echte Feriengefühle. Sonne, Wärme, Meer. Sollte man vielleicht doch am Meer wohnen? Ja, vermutlich, denn in unserer Vorstellung bedeuten Wärme und Meer Urlaub.