Kalt, kälter, Dürrboden

Ich wurde vorgewarnt: Es kann kalt werden, bitte warme Sachen zum Übernachten mitnehmen.

Der Oktober 2021 hat für meinen Geschmack viel zu früh Schnee in die Berge gebracht und damit die geplante Tour über drei Tage vereitelt. Macht nichts, ich laufe von Davos zum Dürrboden durch das Dischmatal, übernachte und kehre am nächsten Tag zurück. Machbar.

Kuhfreies, herbstliches, von Wasser durchzogenes Tal. Dürrboden-Restaurant mit gackernden Hühnern zwischen den Stühlen und feinem Essen. Man sitzt in der Sonne und kann sich noch nicht vorstellen, wozu man die Thermounterwäsche mitgenommen hat. Die Sonne sinkt, die Gäste verlassen nach und nach die Lokalität. Ich bleibe als einziger Besucher übrig. Das Bettzeug wird in mein Zimmer getragen. Die Hühner werden still, still wird auch mein Lächeln: Es wird draussen so kühl, dass ich mich ins Innern des Restaurants zurückziehe. Der Raum ist sehr hoch, weit, toll hergerichtet. Darin befindet sich auch ein Eisenofen, allerdings träumt er noch kalt vor sich hin. Bitte einen Tee, bitte den Ofen einheizen, denke ich. Die Hände sind mittlerweile kalt. Aber dann: Es wird Feuer gemacht! Es dauert, bis Wärme den hohen Raum und mich erreichen. Abendessen. Ein warmes Essen!

Die Dunkelheit ist da. Ich ziehe mich auf mein Zimmer zurück. Das Zimmer sind zwei Räume über einem ehemaligen Stall, hergerichtet für übernachtende Wanderer. Der Gang über den Hof zu den Gemächern lässt mich frösteln. Das Eintreten in die Schlafstube erzeugt Gedanken, die sich um einen sanften Kältetod drehen. Ich lege die Wandersachen für nächsten Tag bereit, um beim Aufwachen schnellstmöglich hineinschlüpfen zu können. Der Vorraum ist ein Kühlschrank mit Holztür und Ritze für frische Luft. In den zweiten Raum, mit dichterer Tür, wurde vorsichtshalber ein kleiner Elektroheizer gestellt; ich soll ihn nicht abschalten. Damit verhindert man bestimmt die Schlagzeile, dass ein Wanderer im Oktober erfroren ist. Hätte sich nur gelohnt, wenn man mich nach 1000 Jahren gefunden hätte, Ötzine sozusagen.

Erstaunlich, am nächsten Morgen lebe ich, bin munter, frühstücke und laufe vergnügt im bewölkten Dischmatal nach Davos zurück. Sogar eine Erkältung ist ausgeblieben.