Nasskalter Empfang auf der Eisinsel

Die Norröna erreicht den Hafen Seyðisfjörður an der Ostküste Islands um 7.30 Uhr Ortszeit. Das bedeutete eine kurze Nacht, denn schon zwei Stunden vor Ankunft müssen die Kabinen geräumt sein. Kaum von Bord, durfte ich erst einmal beim isländischen Zoll vorfahren. Beim Blick in meinen Laderaum winkte der Beamte gutmütig ab, fragte dann aber mit leichter Besorgnis, ob ich denn auch ins Hochland fahren wolle. Als ich das verneinte, war er zufrieden und ich entlassen.

Trotz des Fährhafens ist Seyðisfjörður ein abgelegenes Dorf mit nur ein paar hundert Einwohnern. Die Kolonne der Neuankömmlinge wälzte sich die nebelige Passstrasse entlang in Richtung Aussenwelt. Doch im nächsten Ort verteilte sich alles, und so fand ich mich plötzlich allein auf der Nationalstrasse 1 wieder. Auf dieser sogenannten Ringstrasse werde ich in der kommenden Woche die Insel umrunden.

Endstation des ersten Tages war Skaftafell im Vatnajökull-Nationalpark, im lokalen Slang «Vatnajökulsþjóðgarður». Solche Wortungetüme mit seltsamen Buchstaben begegnen einem hier ständig und machen das Lesen von Landkarten und Strassenschildern zu einer echten Herausforderung. Wie die Färöer ist auch Island in meinem Navi-Kartensatz leider nicht enthalten, aber früher haben die Leute ja auch ohne GPS ans Ziel gefunden. Rund 400 km waren zu absolvieren. Neben kleinen Abstechern zum Essen, Tanken und Einkaufen beschränkte ich mich auf das Bewundern der vorbeiziehenden Landschaften: karge Heide, Schafweiden, schwarze Aschefelder, Bergketten. Leider wurde gerade die Aussicht auf letztere immer öfter durch tiefhängende Wolken getrübt. Auch der Blick aufs Thermometer verhiess nichts Gutes. Ich hatte nämlich vor, im Nationalpark zwei Nächte zu zelten. Und das bei Regen und einstelligen Temperaturen?

Während ich darüber nachsann und der Zielort näherrückte, tauchte plötzlich zur Rechten ein unglaubliches Bild auf: ein See voller Eisberge! Vom Gletscher abbrechende Eismassen sind hier in einer Art Lagune eingesperrt. Erst wenn sie genügend abgeschmolzen sind, gelangen sie über einen Abfluss ins nahe Meer.

Am Nachmittag erreichte ich den Park und den sehr grosszügig angelegten Campingplatz. Immerhin konnte ich mein Zelt noch im Trockenen aufschlagen. Bei einem Erkundungsgang entdeckte ich einen Zettel, der eine in Kürze beginnende Führung zum nahen Skaftafelljökull, einer Gletscherzunge des gigantischen Vatnajökull, bewarb. Ausser mir fand sich nur ein französisches Pärchen am Treffpunkt ein, so dass wir eine hochinteressante und lohnenswerte Privatführung erhielten.

Auf dem Rückweg setzte der Regen ein …

Island, 7. bis 14. Juli 2011